Am Samstag dem 28. September 2023 haben wir zu unserer Eröffnungsfeier eingeladen.
Vor 100 Gästen begann die Feier mit einer Vorstellung des Projekts und der vor Ort aktiven politischen Gruppen.
In einem Input wurde abgeleitet von der gesellschaftlichen Situation in der wir uns derzeit wiederfinden die Notwendigkeit linker Infrastruktur begründet.
Insbesondere im vergangenen Jahr ist deutlich spürbar geworden, dass sich die Krise des kapitalistischen Systems weiter zuspitzt: die Inflationsrate kletterte auf Rekordhöhe, mitten in Europa bricht ein Krieg aus und im Zuge dessen wird ein nächster großer Krieg zwischen den imperialistischen Zentren zunehmend zu einer realen Gefahr.
Ein genauerer Blick auf den Rems-Murr-Kreis, in der Metropolregion Stuttgart und die politische Landschaft vor Ort zeigt, dass es sich dabei um eine Region handelt, die in der Tendenz eher konservativ und rückschrittlich geprägt ist. Der Kreis ist aber auch eine Region, in der sich um die Branchen der Metall- und Elektroindustrie mit Betrieben wie Stihl, Bosch und Kärcher, der Holz- und Kunststoffindustrie, der Kommunikationstechnik und rund um zwei große Krankenhäuser dort beschäftigte Arbeiter:innen ballen.
Und eben diese Arbeiter:innen sind es, die den Schlüssel für grundlegende Veränderung der Gesellschaft in den Händen halten.
Die politische Geschichte des Rems-Murr-Kreises hat ihm auch den unrühmlichen Ruf des „braunen Hinterhofs“ eingebracht. Eine aktive Naziszene, die vor 10-20 Jahren noch Hetzjagden auf migrantische Jugendliche machte was im beschämenden Winterbacher Brandanschlag seinen Hohepunkt fand, hat ihre eigene Infrastruktur sowie Kontakte zum NSU und regelmäßig für Schlagzeilen gesorgt. Auch heute noch zeigt sich bei Wahlergebnissen, dass die AfD einige ihrer Hochburgen im Rems-Murr-Kreis hat.
Eine Bewegung, die diese Probleme angeht und dabei in und mit der Arbeiter:innenklasse wirken will, muss sich auf linke Infrastruktur hier vor Ort stützen können.
Gleichzeitig kann diese Infrastruktur sich nicht entwickeln ohne ein Bewegung, die die Räumlichkeiten mit Leben füllt.
Ein weiteres Phänomen, dass die Notwendigkeit linker Räumlichkeiten im Rems-Murr-Kreis begründet ist der Wegzug von Aktivist:innen in Großstädte.
Gerade der Rems-Murr-Kreis ist ein sehr weitläufiges und versprengtes Gebiet und für Kulturangebote insbesondere solche ohne Konsumzwang, kann man selbst in Stuttgart lange suchen.
Das ist eine Leerstelle, die der Info- und Kulturladen Schlotterbeck füllen soll.
Damit soll eine Grundlage geschaffen werden die sowohl Aktiven aus politischen Kampffeldern als auch aktiven Kolleg:innen einen gemeinsamen Raum gibt und die Gemeinsamkeiten unterstreicht.
Warum der Name Schlotterbeck und wo wollen wir hin?
Schlotterbeck war nicht nur der Name einer kommunistischen Arbeiter:innenfamilie, sondern auch einer antifaschistischen Widerstandsgruppe die unter anderem in Luginsland und dem Rems-Murr-Kreis wirkte. Während des zweiten Weltkrieges wurde die Gruppe verraten, verhaftet und grausam ermordet, weil sie sich für eine Befreiung Deutschlands von der NS-Herrschaft einsetzte.
Von der in jener Gruppe aktiven Familie Schlotterbeck überlebte nur einer: Friedrich Schlotterbeck, der nach Kriegsende das für uns so wertvolle Buch „Je dunkler die Nacht desto heller die Sterne“ und damit seine Erfahrungen und Erlebnisse niederschrieb.
Mit dem Rems-Murr-Kreis verbunden ist der Name Schlotterbeck insbesondere durch den Hermann-Schlotterbeck-Platz vor dem Standort des ehemaligen KZ-Gebäudes in Welzheim. Friedrich Schlotterbeck und sein Bruder Hermann waren dort inhaftiert und es war Hermann, der bei der Auflösung des KZs hinterrücks ermordet wurde. Die Widmung dieses Platzes war das Ergebnis eines jahrzehntelangen Kampfes von fortschrittlichen Historikern, dem Einsatz der VVN-BdA und der seit 2018 jährlich stattfindenden Kundgebungen auf ebendiesem Platz.
Die Schlotterbecks waren kommunistisch, das heißt sie traten für eine befreite Gesellschaft und den dafür notwendigen revolutionären Sturz des Kapitalismus ein. Sie wollten „Alle Verhältnisse umwerfen, in denen der Mensch ein geknechtetes Wesen ist.“
Die Rückschläge, die die deutsche Arbeiter:innenbewegung und ihre Organisationen seit dem Verrat der SPD und dem darauf folgenden 1. Weltkrieg 1914 erlitten hat, die auf die Niederschlagung der Novemberrevolution 1918 und der grausamen Verfolgung im deutschen Faschismus folgten und in die auch das Verbot der KPD 1956 einzuordnen ist, spüren wir noch heute.
Die kommunistische Linke und die bundesdeutsche Linke im allgemeinen sind in zig Strömungen, unterschiedliche Gruppen und Tendenzen zersplittert.
Aber gerade deshalb ist es für uns zentral, die Splitter unserer Geschichte nicht zu vergessen, sondern im Gegenteil an die Menschen zu erinnern, die zu einer anderen Zeit für das Gleiche gekämpft haben.
Deswegen haben wir uns entschieden, unseren Info- und Kulturladen nach den Schlotterbecks zu benennen – wir wollen in ihrem Geiste vor Ort und ganz konkret kleine Schritte hin zu einer solidarischen Gesellschaft der Arbeiterinnen und Arbeiter gehen. Hier im Rems-Murr-Kreis, wo wir alle wohnen, arbeiten, leben und kämpfen.
Dieter Keller (VVN-BdA) referierte im Anschluss eindrücklich über das Wirken der und die Schicksale der Mitglieder der Schlotterbeckgruppe und betonte den Fortbestand der gesellschaftlichen Verhältnisse, die Krieg und Faschismus erst hervorbringen können und verknüpfte das mit den (leider) vielen aktuellen Beispielen.
Im Anschluss daran richtete der Enkel von Trude Lutz (geb. Schlotterbeck), Aram Hess, ein kleines Grußwort an uns und teilte eine Anekdote aus dem Leben der Familie Schlotterbeck mit uns. Um die Taten seiner Familie zu würdigen überreichten wir ihm symbolisch rote Nelken und schenkten ihm ein selbstgedrucktes T-Shirt mit dem Logo des Info- und Kulturladens.
Es folgte ein weiteres Grußwort und die Übergabe von Geschenken aus dem Linken Zentrum Lilo Hermann in Stuttgart, dem Ewwe Longts in Mannheim, der Initiative für das Linke Zentrum Trude Lutz in Tübingen, dem Linken Zentrum Mathilde Müller in Villingen-Schwenningen und dem Linken Zentrum Olga Benarrio in München.
Nach dem inhaltlichen Programm wurde gemeinsam zu Abend gegessen, mit musikalischer Begleitung von zwei Kollegen und einer spontanen Zaubershow.
Am Rande des Programms konnte man auch sein Glück bei der Tombola versuchen oder am Büchertisch Literatur aus der Arbeiter:innenbewegung kaufen.
Gemeinsam ließ man den Abend in angenehmer Atmosphäre ausklingen. Wir freuen uns darüber, eine gelungene Eröffnung gehabt zu haben und bedanken uns noch einmal bei allen anwesenden, insbesondere dem Referenten Dieter Keller und für das Grußwort von Herrn Hess.
Umso mehr freuen wir uns aber auf den gemeinsamen Weg der nun vor uns liegt, auf die Kämpfe die wir gemeinsam führen und die Erfahrungen die wir dabei sammeln werden!
Anmerkung:
Es handelte sich bei der Eröffnungsfeier um eine interne Veranstaltung. Alle Gäste wurden persönlich eingeladen.